© Jacob Müller

Wissenschaftler der TU Chemnitz haben das Mobilitätsverhalten von Fahrrad- und Elektrofahrradfahrern untersucht.

16.12.2014

Elektrischer Rückenwind: Dank Elektromotor und Akku ermöglichen Elektrofahrräder kraftsparendes Fahrradfahren. Doch bislang ist noch wenig über das Mobilitätsverhalten der Pedelec-Fahrer und die Sicherheit der E-Räder bekannt. Das haben Forscher der TU Chemnitz jetzt geändert.

Von Christiane Brünglinghaus

Elektrofahrräder liegen im Trend. Allein im Jahr 2013 wurden 410.000 E-Bikes verkauft, gibt der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) an. Tendenz steigend. Insgesamt fahren über 1,6 Millionen Fahrräder mit Elektromotor auf Deutschlands Straßen. Zu unterscheiden sind sogenannte Pedelecs und E-Bikes: Pedelecs sind Fahrrädern mit elektrischer Tretunterstützung. Bei einem E-Bike erfolgt die Motorunterstützung durch Gasgeben, unabhängig vom Treten des Fahrers. Nach Schätzung des ZIV sind aber mehr als 95 Prozent aller verkauften E-Bikes Pedelecs.

 

Steigende Nachfrage auf dem Zweiradsektor

Radfahren liegt im Trend, und das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 den Radverkehrsanteil von bisher 10 auf 15 Prozent zu steigern, kann auch durch die zunehmende Nutzung von Elektrofahrrädern vorangetrieben werden. Die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten von E-Rädern sind vielfältig: Mit ihnen lassen sich leichter größere Distanzen überwinden oder größere Lasten transportieren. Zudem sind Pedelecs bei Entfernungen bis zu 10 Kilometer das schnellste Fortbewegungsmittel im Stadtverkehr. In Anbetracht dessen, dass die Hälfte aller Fahrten nicht länger als 5 Kilometer sind, ist das Pedelec insbesondere für Berufspendler aus Sicht des Umweltbundesamtes (UBA) eine Alternative.

Ein Pedelec belastet zwar die Umwelt stärker als ein herkömmliches Fahrrad, da durch die Nutzung Emissionen entstehen. Aber im Vergleich mit dem Pkw seien sie sehr gering, wie das UBA betont. Pedelecs haben einen deutlich geringeren Energieverbrauch. Während die Energiekosten pro 100 Kilometer für ein Auto mit Dieselmotor rund 9,50 Euro betragen, zahlt man für die gleiche Strecke mit dem Pedelec nur etwa 0,25 Euro, rechnet das UBA vor.

Durch den erheblich geringeren CO2-Ausstoß (18,6 Kilogramm pro 100 Kilometer weniger als bei einem Dieselauto) belaste es die Luftqualität deutlich weniger. Verschiedene Maßnahmenszenarien einer Studie der TU Dresden im Auftrag des UBA errechneten CO2-Einsparungspotenziale im Personenverkehr durch Steigerungen des Radverkehrs zwischen 10 und 30 Prozent.

Der Energiebedarf bei Pedelecs liegt praktisch bei 0,5 bis 2 kWh/100 km, wodurch sich mit 250 Wh‐Akkus eine Reichweite von maximal etwa 50 km ergibt, wie die Springer-Autoren Lehmann und Luschtinetz im Kapitel „Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge“ (Seite 112) aus dem Buch Wasserstoff und Brennstoffzellen angeben.

 

Herausforderung für die Verkehrssicherheit

Doch durch die E-Räder ergeben sich auch Herausforderungen – zum Beispiel für die Verkehrssicherheit. DieUnfallzahlen mit Beteiligung von Elektrofahrrädern (E-Bikes/Pedelecs) sind von 2010 bis 2012 angestiegen, wie der Auto Club Europa ACE anhand der Unfallstatistiken des Landes Baden-Württemberg verdeutlicht. Die Frage, wie genau sich die potenziell höheren Geschwindigkeiten auf das Fahrverhalten und das Unfallgeschehen auswirken, ist allerdings bisher völlig offen, sagen Arbeitspsychologen und Sportgerätetechniker der TU Chemnitz und die Unfallforschung der Versicherer.

Daher untersuchen die Forscher nun die Mobilität, die Geschwindigkeit und die Verkehrssicherheit von Elektroradfahrern im Vergleich zu Fahrradfahrern. Dazu wurden Sensoren und Kameras an den Zweirädern von insgesamt 90 Teilnehmern im Alter von 16 bis 83 Jahren installiert. Davon waren 31 Fahrradfahrer, 49 Pedelec-Fahrer (Motorunterstützung bis 25 km/h) und 10 S-Pedelec-Fahrer (Motorunterstützung bis 45 km/h). Über einen Zeitraum von vier Wochen wurde das natürliche Fahrverhalten der Teilnehmer aufgezeichnet. Zudem wurden mittels Befragungen die subjektiven Erfahrungen der Nutzer erfasst.

Im Ergebnis zeichnet die Studie folgendes Bild: Pedelecs werden gegenwärtig vor allem von älteren Personen gefahren. Pedelecs und Fahrräder werden in ähnlichem Umfang und zu ähnlichen Zwecken eingesetzt. Lediglich bei den S-Pedelec-Fahrern dominieren die Arbeitswege. S-Pedelec-Fahrer erreichen statistisch signifikant höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten, als Fahrrad- und Pedelec-Fahrer. Pedelec-Fahrer sind geringfügig schneller unterwegs als Fahrradfahrer. Sie scheinen die Motorunterstützung in erster Linie einzusetzen, um mit geringerem Aufwand Geschwindigkeiten zu erzielen wie sie auch mit herkömmlichen Fahrrädern erreicht werden.

 

Elektrofahrräder haben per se kein erhöhtes Sicherheitsrisiko als Fahrräder

Alle drei Zweiradtypen erleben ähnlich häufig kritische Situationen im Straßenverkehr, erklären die Wissenschaftler. Am häufigsten werden für alle drei Zweiradtypen Konflikte im Längsverkehr, Einbiegen-/Kreuzen- oder Abbiege-Konflikte beobachtet. Entsprechend der Exposition ereignen sich die meisten Konflikte mit Pkw, gefolgt von Fußgängern und Fahrrad- beziehungsweise Elektrofahrradfahrern. Dahinter verbergen sich typischerweise Vorfahrtsmissachtungen beziehungsweise Auspark- oder Wendemanöver der Pkw sowie Querungen, das Vorauslaufen oder Entgegenkommen von Fußgängern beziehungsweise anderen Radfahrern. Auch die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit von S-Pedelec-Fahrern führe zu keiner Häufung von kritischen Situationen. Das Konfliktgeschehen von Pedelec- und S-Pedelec-Fahrern entspreche damit dem klassischen Radunfallgeschehen.

 

 S-Pedelec-Fahrer könnten schwerer verletzt werden

Der Vergleich von Fahrräder und Elektrofahrrädern zeigte, dass Elektrofahrräder per se keinem erhöhten oder anders gelagerten Sicherheitsrisiko als Fahrräder unterliegen, so die Untersuchung. Die potenziell höheren Geschwindigkeiten werden vor allem von S-Pedelec-Fahrern realisiert, während für Pedelec-Fahrer der erhöhte Komfort im Mittelpunkt steht. Die rechtliche Einordnung von Pedelec als Fahrrad und von S-Pedelec als Kleinkraftrad erscheint für die Wissenschaftler vor dem Hintergrund der Ergebnisse gerechtfertigt.

Aufgrund der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit von S-Pedelec-Fahrern sei zu empfehlen, dass diese auch weiterhin nur auf der Fahrbahn zugelassen sind und einer Helm- und Versicherungspflicht unterliegen. Es sei durchaus möglich, dass S-Pedelec-Fahrer zwar nicht häufiger in Unfälle verwickelt sind, aber dann schwerer verletzt werden. Erste Ergebnisse aus der Schweiz würden diesen Schluss nahelegen.

 

Besondere Anforderungen an die Radinfrastruktur

Die stärkere Variation der Geschwindigkeit von Pedelec-Fahrern im Vergleich zu Fahrradfahrern in Verbindung mit ihrer zunehmenden Verbreitung stellt laut Forschern besondere Anforderungen an die Dimensionierung der Radinfrastruktur. Sie sollte so ausgestaltet sein, dass sichere Überholvorgänge von Zweiradfahrern untereinander möglich sind. Da ein Teil der S-Pedelec-Fahrer immer noch die Radinfrastruktur statt der Fahrbahn nutzt, sei hier verstärkt Aufklärung zu betreiben.

 

Standards für Pedelec-Akkus

Eine weitere Herausforderung bei Pedelecs ist deren Lithium-Ionen-Batterie. Denn kaum ein momentan angebotenes Pedelec hat einen Akku, der auf die Anwendung hin geprüft ist, sagen die Springer-Autoren Schönau und Baumann im Kapitel „Normung für die Sicherheit und Performance von Lithium-Ionen-Batterien“ (Seite 374) aus dem Handbuch Lithium-Ionen-Batterien. Gerade bei Pedelecs, die im privaten Umfeld geladen, gelagert und bewegt werden, sollte die Sicherheit oberste Priorität haben. Als einziger Standard stehe laut Autoren der der Battery Safety Organisation (BATSO) zur Verfügung. Die Organisation beschäftigt sich seit 2007 mit einer Sicherheitsnorm für Lithium-Ionen-Batterien in Light Electric Vehicles (LEV). Der Industriestandard für Batteriesicherheit BATSO 01 soll laut Organisation langfristig von der IEC als Norm veröffentlicht werden. Der Verein vermeldete im Oktober dieses Jahres, dass BATSO 01 auf dem Weg sei, europäischer Standard zu werden.